Drei Tage, drei Tracks mit geballten Informationen, inspirierende Keynotes und viel Raum zum Gedankenaustausch rund um Softwareentwicklung, Architektur, Agilität und Soft Skills – das waren auch in diesem Jahr wieder die Stärken der SEACON und des anschließenden Architekturtags.
Meiner Kollegin und Kollegen des Fachbeirats und ich hatten zum vierten Mal gemeinsam ein vielfältiges Konferenzprogramm für die einzige Software-Engineering-Konferenz im Norden Deutschlands zusammengestellt. ALs wir uns am Montagmorgen im Hotel Grand Elysée trafen, das die SEACON erstmals beherbergte, waren wir gespannt auf die Resonanz der Besucher. Die war – das kann ich vorwegnehmen – grundsätzlich positiv, enthielt aber auch einige Verbesserungsvorschläge.
Der Montag fing gleich gut an. Frank Winkenwerder von der HHLA betrachtete in seinem kurzweiligen Vortrag den Containerumschlag als soziotechnisches System, in dem große Hardware, komplexe IT-Systeme und Menschen interagieren. Letztere lassen sich aufgrund ihres nichtdeterministischen Verhaltens nicht so einfach in die Prozesse integrieren – das kennt jeder, der schon einmal eine Software mit Benutzungsoberfläche geschrieben hat. Als Herr Winkenwerder von Containerbrücken, Van Carriern und LKWs berichtete, leuchteten die Augen des Publikums. Ich musste an meinen ehemaligen Kommilitonen denken, der auch nach zehn Jahren bei der HHLA immer noch von dieser Fachdomäne begeistert ist, weil sie IT zum Anfassen bietet.
Anschließend eröffnete Bernd Oestereich den Open-Space-Marktplatz. Dieser Programmpunkt wurde auch in diesem Jahr von vielen Besuchern mit Spannung erwartet, weil er das größte Überraschungsmoment bot. Nun waren die SEACON-Teilnehmer gefragt. Sie durften ihre eigenen Themen und Fragen einbringen, die dann in zwei Open-Space-Runden (je eine am Montag und Dienstag) intensiv diskutiert wurden. Das Themenspektrum reichte von … bis zur agilen Softwareentwicklung in räumlich verteilten Teams.
Weiter ging’s mit dem Vortrag meiner Kollegen Jo Ehm, Jan Galinski und Claudia Cordes. Ihrer Kombination von BPMN-Modellierung, einer komponenten- und serviceorientierten Architektur und einem agilen Vorgehen gaben sie den schönen Namen „SOAgil“. Das Thema traf den Nerv des Publikums, wie die vielen Nachfragen und die rege Diskussion offenbarten. Förderlich für die Diskussion war mit Sicherheit der hohe Praxisnutzen des Vortrags: keine Allgemeinplätze, sondern konkrete Vorschläge für BPM/SOA-Projekte – das ist es, was das Publikum wünscht (und bei der SEACON auch erwarten darf).
Nicht allein ich hatte die Pecha Kuchas mit Spannung erwartet. Das zeigte die gut gefüllten Seminarräume am Montag und am Dienstag, als es wieder hieß: Bühne frei für 6 Minuten und 40 Sekunden Hochleistungspräsentationen. Die zehn Pecha-Kucha-Vorträge waren allesamt von hoher Qualität, obwohl viele der Vortragenden ihre erste Erfahrung mit diesem Format machten. Das Themenspektrum reichte von DSLs mit JRuby bis zum Fab Lab auf St. Pauli, ein Ort des gemeinsamen Lernens und der Wissensvermittlung für alle Hamburger Bürgerinnen und Bürger. Ich war überrascht, wie gut selbst komplexe Themen, beispielsweise Identity Management, in dieser kurzen Zeit verständlich auf den Punkt gebracht wurden. Viele Pecha Kuchas waren liebevoll bebildert worden – ein weiteres Plus dieses rasanten Formats.
Den Session-Reigen am Montag schloss Claus Sprave von der Lichtblick AG gab einen Ausblick auf die Herausforderungen, die dem Energiemarkt bevorstehen, und präsentierte als Lösungsansatz die Dezentralisierung der Energieerzeugung und -speicherung. Fast selbstverständlich, dass die Informationstechnologie eine wichtige Rolle spielt.
Mein SEACON-Dienstag begann mit der Session von Klaus Marquardt und Bastiaan Harmsen. Da Klaus aus gesundheitlichen Gründen verhindert war, hat uns Bastian alleine für Coaching-Verträge der impliziten Art sensibilisiert. Jetzt lassen uns Sätze wie „Das musst Du doch wissen – das war schließlich schon immer so“ aufhorchen, und wir wissen, wie wir mit solchen impliziten Annahmen umgehen können. Besonders gut gefallen hat mir die Idee, eine Gruppenübung zu diesem Thema anschließend auf der Metaebene zu analysieren: wie haben die Gruppenmitglieder die geforderten Aufgaben untereinander verteilt? Nur wenige Gruppen waren hier explizit vorgegangen…
Nach der Mittagspause betrat ein deutscher Kanban-Pionier die Bühne. Markus Andrezak hat Kanban in mehreren Unternehmen eingeführt. Jetzt darf sein neuer Arbeitgeber MyHammer von dieser Erfahrung profitieren. In seiner kurzweiligen Keynote zeigte Markus eindrucksvoll auf, wie man dabei vorgeht: die geeigneten Kennzahlen erheben, die Prozesse analysieren und gestalten, die Warteschlangen optimal einstellen – und schauen, was passiert. Dann geht es von vorne los. Ähnlichkeiten mit den zyklischen Prozessen agiler Vorgehensmodelle sind kein Zufall. Besonders einprägsam war die Live-Simulation mit Post-its am echten Kanban-Board.
Nach der Keynote übernahm ich die Moderation von Klaus Marquardts zweiter Session. Um die zahlreichen Teilnehmer, die diese Session gebucht hatten, nicht zu enttäuschen, hatten wir im Fachbeirat entschieden, die Session nicht ausfallen zu lassen. Klaus wollte die Session in Form eines Caucus organisieren, angelehnt an den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf. Da nur Klaus die Details dieses Formats kannte, habe ich stattdessen eine klassische Fishbowl moderiert. Die lebhafte Diskussion war einmal mehr Beweis dafür, dass das SEACON-Publikum nicht ausschließlich berieselt werden möchte, sondern eigene Meinungen und Ideen einbringen will – und kann.
Leider haben sich diese Stärken der SEACON in der deutschsprachigen IT-Community nicht weit genug herumgesprochen. Die Folge: ein leichter Besucherrückgang im Vergleich zum Vorjahr. Schade, dass man nicht diejenigen befragen kann, die der SEACON fern geblieben sind. Deshalb führte ich viele Gespräche mit Teilnehmern und Ausstellern, um diesem Negativ-Trend auf die Spur zu kommen. Daraus ergab sich jedoch kein einheitliches Bild. Einigen war die Konferenz zu Soft-Skill-lastig, anderen immer noch zu technisch. Der Architekturtag, der zum zweiten Mal direkt im Anschluss an die SEACON stattfand, war sehr populär. Viele der Befragten bemängelten die unzureichende Kommunikation im Vorfeld der Konferenz. Die Vermutung: viele potenzielle Interessenten kennen diese Veranstaltung überhaupt nicht. Es gibt also viel zu besprechen, wenn sich Veranstalter und Fachbeirat demnächst zur Retrospektive treffen, damit die SEACON 2013 noch besser (besucht) wird.