Die SEACON feierte in diesem Jahr ihr kleines Jubiläum: zum fünften Mal lockte die Konferenz rund um Software Engineering und -Architektur viele Teilnehmer nach Hamburg. Dabei scheint das leicht veränderte Konzept gut funktioniert zu haben.
Die Erkenntnisse aus der SEACON des vergangenen Jahres hatte den Fachbeirat dazu veranlasst, die thematische Vielfalt besser zu ordnen und zu drei thematischen Tracks zusammenzufassen: Projektmanagement (auch agiles), Geschäftsprozesse und Softwarearchitektur. Die Entscheidung für letzteres Thema ist im Wesentlichen auf den großen Erfolg des letztjährigen Architekturtags zurückzuführen, der somit in diesem Jahr ins SEACON-Programm integriert wurde. Der Themenvielfalt hat die Track-Struktur aus meiner Sicht nicht geschadet – hier hat der Fachbeirat (dem ich in diesem Jahr erstmals nicht mehr angehörte – eine ungewohnte Situation) wieder eine tolle Arbeit geleistet. Den Teilnehmern bot die neue Struktur im Vorfeld offenbar die vielfach gewünschte Orientierung – mit dem Effekt, dass die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen sind.
Nicht nur die Track-Struktur war neu, sondern auch der Veranstaltungsort. Nach den Hotels Atlantic und Grand Elysée war in diesem Jahr das Radisson Blu am Dammtor der SEACON-Heimathafen. Eine neue Location ist immer ein Wagnis, und so war ich gespannt auf die Meinungen der Teilnehmer. Die fielen am ersten Konferenztag eher verhalten aus. Insbesondere der Ausstellerbereich gefiel nicht auf Anhieb. Dieser schlängelte sich entlang der Konferenzräume und bot wenig Freiraum, weshalb sich schnell ein Gefühl der Enge einstellte. Interessanterweise wandelte sich das Bild am zweiten Konferenztag, als die Teilnehmer einander besser kennengelernt hatten (ein Verdienst der interaktiven Formate, allen voran des Open Space) und außerdem feststellen konnten, dass die Aussteller mehr am Erfahrungsaustausch als am schnellen Abschluss eines Vertrages interessiert waren. Plötzlich hatte die Enge etwas heimeliges und führte dazu, dass man noch besser miteinander ins Gespräch kam. Und so wurde eifrig genetzwerkelt – ein eindeutiges Indiz für eine gelungene Konferenz. Ich führte viele gute Gespräche, verpasste dadurch aber sicherlich viele gute Vorträge. Einige habe ich dann aber doch besucht.
Marc Schachtel berichtete in der ersten Keynote vom agilen Weg am Beispiel der Entwicklung einer App für das Partnersuche-Portal PARSHIP. Viele Erkenntnisse waren nicht neu, wurden aber dank des offenen und ehrlichen Bekenntnisses vom Publikum interessiert aufgenommen und werden hoffentlich den einen oder anderen IT-Leiter in einer vergleichbaren Situation davor bewahren, ähnliche Fehler zu begehen.
Anschließend stellten meine ehemaligen Kollegen Carsten Sahling und Malte Sörensen das agile Vorgehensmodell DSDM Atern vor. Das ist etwas mächtiger als Scrum, aber könnte genau deshalb in größeren Projekten und traditionellen Domänen leichter Anhänger finden. Malte gelang es sehr gut, die Organisationsstruktur seines aktuellen Projekts auf die Rollen und Prinzipien von DSDM Atern abzubilden und damit auch jenen Zuhörern Anschluss zu bieten, die ihre Projekte heute noch traditionell organisiert haben.
Nachmittags war ich dann dran und durfte in der ersten Pecha-Kucha-Session mit Geschäftsprozessen und gesundem Menschenverstand für 6 Minuten und 40 Sekunden in den Ring steigen.
Tag zwei der SEACON begann mit meinem persönlichen Highlight. Wolfgang Wopperer ging der Frage nach, wie sich die Herausforderungen „Disruption“ und „Skalierbarkeit“ bei Innovationsprojekten zueinander verhalten. Ausgehend von Kleiber’s Law entwickelte er Ideen für organisatorische Rahmen, in denen eine Innovationskultur gedeihen kann. Da Großkonzerne empirischen Untersuchungen zufolge unterproportional innovativ sind, kann man beispielsweise durch Ausgründung kleinerer Einheiten adäquatere Rahmenbedingungen schaffen. Dieser Vortrag hatte alles, was ich an der SEACON mag: (für mich) neue Erkenntnisse und somit ein Blick über den Tellerrand, und trotzdem ein deutlicher Bezug zu meinem beruflichen Alltag (hier gibt’s die Folien).
Anschließend ließen Rolf Dräther und ich den Tausendsassa Heinz von Foerster in einem gelesenen Gespräch zu Wort kommen und diskutierten über dessen Vorstellungen vom Begriff der Selbstorganisation.
Ralf Sigmund begann seinen Vortrag über den Zusammenhang zwischen Architekturen und agilem Vorgehen mit einer Frage, die meiner Meinung nach viel zu selten gestellt wird: warum wollen wir eigentlich agil werden? Gibt es einen guten Grund? Ist der gefunden, dann kann es losgehen. Auf dem Weg sind viele Architekturentscheidungen zu treffen, und auch hier gilt: erst überlegen und Trade-offs abwägen, dann entscheiden. Ein Plädoyer für bewussten Fortschritt in Projekten.
Der zweite und letzte SEACON-Tag endete mit einer weiteren Pecha-Kucha-Session, die ähnlich bunt, informativ und kurzweilig war wie jene am Tag zuvor. Dieses Format findet mittlerweile so viel Zuspruch, dass sich mehrere Teilnehmer fürs nächste Jahr wünschten, dass parallel zum Pecha Kucha keine weitere Session angeboten wird. Mal sehen, was der Fachbeirat aus diesem Wunsch macht. Ich bin gespannt und freue mich schon auf die SEACON 2014.