Die agile Welt ist um eine Konferenz reicher: Auf der Manage Agile ging es vom 16. bis zum 18. Oktober drei Tage lang um agiles Projekt- und Anforderungsmanagement in der Praxis.
Dem Ruf nach Berlin waren mehr als 160 Personen gefolgt, von denen 50% nach eigenem Bekunden Führungskräfte sind. Im Vergleich zu anderen agilen (Un-)Konferenzen war das Format überraschend traditionell: ein Workshop-Tag, gefolgt von zwei klassischen Vortragstagen. Einen Open Space, Lightning Talks oder Fishbowls suchte man in der Agenda vergebens. Lediglich der Expert Panel am Mittwochabend entwickelte sich dank reger Beteiligung aus dem Publikum zu einem interaktiven Format. Davon hätte ich mir mehr gewünscht. So blieben die Kaffee- und Mittagspausen, um mit anderen Konferenzteilnehmern in Kontakt zu kommen. Diese Möglichkeit wurde reichlich genutzt. Hier trafen agile Einsteiger auf praktizierende Agilisten sowie agile Trainer und Coaches. Oft ging es um ganz praktische Fragen, insbesondere zum Umgang mit den Menschen in agilen Teams. Viele Teilnehmer machten sich offensichtlich Gedanken um die zukünftige Ausgestaltung ihrer Führungsaufgabe. Somit konnte die Konferenz ihr Zielpublikum tatsächlich erreichen und mobilisieren.
Nach zwei Keynotes von Dr. Andrea Tomasini und Rainer Grau, die der Konferenz das Feld bereiteten, wurden in drei parallelen Tracks verschiedene Aspekte des agilen Managements beleuchtet. Dr. Johannes Mainusch beschäftigte die Frage, ob sich die Begriffe “agil” und “Management” widersprechen. In seinem kurzweiligen Vortrag spannte Johannes den Bogen von der Welt der Hierarchien zu Managementformen, die den heutigen Erwartungen und Bedürfnissen der Mitarbeiter genügen.
In meinem Vortrag “Agile Projekte mit externen Dienstleistern” berichtete ich von meinen Erfahrungen aus einem Projekt, an dem im Laufe von zwei Jahren sechs verschiedene externe Dienstleister beteiligt gewesen sind. Besondere Erwähnung auf Twitter fand mein Hinweis, dass Externe in den Unternehmen, die sie beraten, Gäste sind und auch als solche behandelt werden sollen. Spannend war die Diskussion, ob ein ScrumMaster und Product Owner in solchen Projekten intern oder extern besetzt werden soll. Fazit: es kommt darauf an. Diese Antwort hätte auch von einem Externen kommen können…
An der Spitze der agilen Management-Bewegung stehen Unternehmen, die nicht nur ihre Projekte, sondern die gesamte Organisationsform transformieren. Eine ganze Reihe von Praktiken für diesen Zweck präsentierten Bernd Schiffer und Christian Dähn von it-agile. Ihre “Agile Management Innovations” (kurz: AMI) genannten Werkzeuge umfassten so unterschiedliche Dinge wie Slack, Open Space und Peer Groups. Der Vortrag war sehr inspirierend, weil er zeigte, dass die Werkzeuge für moderne Unternehmen existieren und bereits erprobt sind.
Gut gefallen hat mir auch der Bericht von Ursula Meseberg. Sie schilderte sehr offen die Erfahrungen, die ihre Firma microTOOL mit agiler Softwareentwicklung gemacht hat. Nach anfänglichen Erfolgen bekam die schöne neue agile Welt im Jahr 2010 Risse. Warum das passiert ist und wie microTOOL wieder zu einer erfolgreichen agilen Arbeitsweise zurückgefunden hat, erzählte Frau Meseberg so schonungslos offen und authentisch, wie ich mir einen Erfahrungsbericht wünsche.
Der Tag endete mit einer Podiumsdiskussion, die von vier agilen Experten (Susanne Mühlbauer, Dr. Andrea Tomasini, Boris Gloger und Bernd Schiffer) getragen und vom Publikum vorangetrieben wurde. Viele der vom Publikum im Laufe des Tages eingereichten und priorisierten Fragen waren offensichtlich von agilen Einsteigern gestellt worden. Zwei Beispiele (ungefährer Wortlaut): “Wie kann man beweisen, dass agile Softwareentwicklung erfolgreicher ist als traditionelle Modelle?” “Wie kommt man bei einer agilen Vorgehensweise zu einer Jahres-Roadmap für das Produkt?” Meiner Meinung nach wäre es zielführender gewesen, diese Fragen in einem kleineren Kreis zu diskutieren.
Die Keynotes am Dienstag habe ich leider verpasst. Twitter half mir ein wenig auf die Sprünge. Am meisten zitiert wurde dort Dr. Peter Hruschkas Vortrag. Da habe ich offenbar ein paar kontrovers diskutierte Aussagen verpasst, unter anderem die Forderung nach einem “single wringable neck” in agilen Projekten. Boris Gloger stellte anschließend sein Modell eines agilen Festpreises vor.
Besonders gut gefallen hat mit Laurens Bonnema (Xebia), der in seinem Vortrag “The Political Economy Of Agile Transformations” unter anderem dafür plädierte, Macht nicht als etwas grundsätzlich Schlechtes abzulehnen. Eine Unternehmenstransformation, so seine einleuchtende These, lässt sich nur durchführen, wenn man mit der nötigen Macht ausgestattet ist. Dabei geht es weniger um strukturbedingte Macht (meine Position im Organigramm). Eine “gute” Macht ist jene, die aus der Authentizität, der Autorität (z.B. eines Beraters) und der Beziehungen erwächst und für den guten Zweck eingesetzt wird.
Ulf Brandes begeisterte mit einem Vortrag, auf den alle Teilnehmer gewartet zu haben schienen. Ausgehend von der Frage, in welchem Kontext eine agile Vorgehensweise sinnvoll ist, entwickelte er eine eigene Vorstellung von agilem Management, die er mit vielen Beispielen aus seinem eigenen Arbeitsleben anreicherte. Meiner Meinung nach hat sein Vortrag das Thema der Konferenz am besten aufgegriffen und verarbeitet.
Bemerkenswert war die hohe Überdeckung der Literaturempfehlungen in den Vorträgen. Jurgen Appelos “Management 3.0″ war immer mit dabei, aber auch Peter Senge, Daniel Pink, Claus Otto Scharmer und andere moderne Denker fanden Erwähnung.
Leider bot die Manage Agile keine Abschlussveranstaltung, weshalb sie am Ende gefühlt zerfaserte. Peggy Pazour und Markus Wittwer übernahmen in ihrer Session einen Rettungsversuch, indem sie die Energie der Teilnehmer im Rahmen einer Journaling-Sitzung bündelten, sodass jeder sein persönliches Fazit der Konferenz entwickeln und aufschreiben konnte. Damit erreichten sie jedoch maximal ein Drittel der Teilnehmer. Das ist schade für die Teilnehmer, aber auch für die Veranstalter, denen damit die Chance entging, ein abschließendes Meinungsbild einzuholen. Nicht jeder Teilnehmer fühlte sich mit dem gebotenen Themenspektrum gut bedient, wie sich bei meinen Gesprächen mit anderen Teilnehmern herausstellte. Nichtsdestotrotz hat die Manage Agile eine Zielgruppe erreicht, die vermutlich keine andere agile Konferenz (z.B. die XP Days) besuchen würde, weil dort nicht explizit die Bedürfnisse des Managements adressiert werden. Wenn es dem Veranstalter gelingt, Lob und Tadel dieser Erstauflage im besten agilen Inspect-and-Adapt-Sinne zu verarbeiten und den Mut für andere Formate (z.B. Open Space) aufzubringen, dann kann sich die Manage Agile im agilen Event-Kalender etablieren.